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Ausstellungsinhalte

Kurzfassungen der Tafeln

[1] Das Laboratorium von Weimar. Auf der Suche nach dem anderen Leben

Die „Goldenen Zwanziger Jahre“ sind geprägt von Widersprüchen. Technik und kulturelle Avantgarde entfalten sich. Architektur, Kunst, Kino, Radio, Flugzeug – vor allem in den Großstädten der Weimarer Republik beginnt die Moderne.
Zugleich prägt erbitterter Streit um Staatsform und gesellschaftliche Werte die junge Republik. Die demokratische Verfassung von 1919 ermöglicht mehr politische Teilhabe. Frauen, Arbeiter*innen, Minderheiten und Jugendliche kämpfen für Selbstbestimmung. Dem angestrebten Abbau der Ungleichheiten stehen reaktionäre Besitzstandswahrung und alte wirtschaftliche Machtverhältnisse entgegen.
Arbeitswelt und Massenkultur werden zu Arenen, die künstlerische Avantgarde mischt sich in die gesellschaftlichen Konflikte ein.

[2] Kampf um die kulturelle Hegemonie. Die völkische Rechte hält dagegen

Die Rechte bekämpft die Republik mit Propaganda, Putschversuchen und Morden. Gegen „Niedergang“ und „Entartung“ setzen demokratiefeindliche und antisemitische Theoretiker eine völkisch-autoritäre Ordnung.
Die NSDAP erlangt mit Gewaltkult und Masseninszenierungen die Hegemonie im rechten Lager. Im „Kampfbund für deutsche Kultur“ vereint sie Intellektuelle, DSt und Burschenschaften. Am 10. Mai 1933 feiern diese den Sieg über „Asphaltliteratur“ und demokratische „Dekadenzerscheinungen“.

[3] Aufgalopp für den Führerstaat. Vom Preußenschlag zum „Tag der deutschen Arbeit“

Die Bücherverbrennung ist ein symbolischer Abschluss der ersten Machtsicherungsphase des Nationalsozialismus, deren Weg etwa mit dem Staatsstreich der Reichsregierung gegen Preußen von 1932 geebnet war. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler stützt er seinen „legalen Staatsstreich“ auf bereits von den konservativen Präsidialkabinetten genutzte Methoden wie Notverordnungen und Kommissare. Presse- und Parteienverbote, Abschaffung von Freiheitsrechten, Sondergerichte, „Ermächtigungsgesetz“ und Berufsverbote folgen, die SA terrorisiert als Hilfspolizei potenziellen Widerstand.

[4] Flammende Botschaften. Zur Semantik des Feuers

Scheiterhaufen verbinden Selbstheroisierung mit symbolisch aufgeladener Vernichtung. Saul Ascher sieht 1815 in seiner Schrift Germanomanie den Antisemitismus als Zündstoff des Völkischen: „um das Feuer der Begeisterung zu erhalten, muß Brennstoff gesammelt werden“. 1817 verbrennen Burschenschaftler auf der Wartburg Aschers Schrift. Im dabei gerufenen „Feuerspruch“ drohen sie Jüd*innen, die in ihren Augen „über unser Volksthum und Deutschthum spotten.“
Die Nationalsozialisten inszenieren in Feuerritualen, Fackelmärschen und Sonnwendfeiern Stärke und Opferwillen.

[5] Kulturkampf an der Universität. Feindbildpflege in Wortgewittern

Im April 1933 werden die Allgemeinen Studentenausschüsse reichsweit rechtlich anerkannt und erhalten erstmals Mitbestimmungsrecht in Senat und Fakultät. Die Führung der von Nationalsozialisten dominierten DSt plant daraufhin die Kampagne »Aktion wider den undeutschen Geist« mit Schwerpunkt in Berlin und Unterstützung von Ministerien. Ein „Säuberungsausschuss“ für Bibliotheken liefert „Schwarze Listen“ zu vernichtender Titel.
Stoßtrupps der DSt durchkämmen mit SA-Unterstützung Berliner Bibliotheken und plündern das Institut für Sexualwissenschaft.

[6] Der Höhepunkt einer Kampagne: Der 10. Mai 1933 in Berlin

Im Anschluss an den antisemitischen „Boykott“ vom 1. April 1933 organisiert die DSt die »Aktion wider den undeutschen Geist«. In vielen Hochschulstädten werden – meist am 10. Mai – Bücher, Symbole der Republik und der Arbeiter*innenbewegung öffentlich zerstört. In Berlin beteiligen sich neben Studierenden und SA-Leuten der gerade berufene NS-Pädagoge Alfred Baeumler, der NSDStB-Führer und Jurastudent Fritz Hippler und DSt-Führer Herbert Gutjahr an der Verbrennung von ca. 25.000 Büchern und der geraubten Büste des Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld auf dem Opernplatz vor der heutigen Juristischen Fakultät.

[7] Lichtdom im Starkregen. Der Reichspropagandaminister schaltet sich ein

Joseph Goebbels konkurriert als Minister für „Volksaufklärung und Propaganda“ mit NS-Funktionären wie Bernhard Rust und Alfred Rosenberg um kulturpolitischen Einfluss. Zum Ausbau seiner Macht nutzt Goebbels Strategien politischer Propaganda und Erkenntnisse aus der Wirtschaftswerbung. Kurzentschlossen hält er eine Rede bei der Berliner Bücherverbrennung, die er über Wochenschau und Rundfunk reichsweit übertragen lässt. So erscheint er als treibende Kraft hinter der Aktion.

[8] Ortsbegehung. Vor- und Rechtsdenker des Nationalsozialismus

An der Juristischen Fakultät in Berlin verlieren jüdische Kollegen wie der Dekan Ernst Rabel und sein Stellvertreter James Goldschmidt noch 1933 ihr Amt, außerdem sechs Fakultätsmitglieder und mindestens 19 weitere Dozenten, darunter einige politische Gegner. Am 10. Mai brennen Werke republikanischer Juristen wie Hugo Preuß und Gustav Radbruch sowie Schriften von Karl Marx, Wladimir Iljitsch Lenin, Ernst Fraenkel und Georg Lukács.
Die Berufungen von Carl Schmitt (Juli 1933), Wenzeslaus von Gleispach (Dez. 1933) und Reinhard Höhn (Nov. 1935) machen die Fakultät zu einem Zentrum des NS-Rechtsdiskurses. Im Arbeitsrecht verdeckt der Begriff »Volksgemeinschaft« bestehende Klasseninteressen, im Staatsrecht soll »völkische Großraumordnung« imperialistische Politik, Angriffs- und Vernichtungskrieg in Osteuropa und gegen die Sowjetunion rechtfertigen.
1936 leitet Schmitt die Tagung »Das Judentum in der Rechtswissenschaft«, sein Assistent wird Herbert Gutjahr, der maßgeblich an der Bücherverbrennung beteiligt war.

[9] Memorizid. Die Vernichtung des Gedächtnisses

Der Begriff „Memorizid“ geht auf Primo Levi zurück und bezeichnet die umfassende Vernichtung der Erinnerung an Menschen und ihre Ideen. Die Nationalsozialisten gehen bis zur physischen Vernichtung von Menschen. Sie tilgen Erinnerungsorte in Deutschland und den im Krieg besetzten Gebieten, verbieten Publikationen und das Zitieren bestimmter Autor*innen. Sie ändern Straßennamen und zerstören systematisch Archive, Bibliotheken und Friedhöfe.

[10] Feuersprüche und Feindbilder. Definieren, Inhaftieren, Eliminieren

Aus zwölf „Thesen wider den undeutschen Geist“, die von der DSt am 13. April 1933 an den Hochschulen plakatiert werden, entwickeln die studentischen Aktivisten »Feuersprüche«, die sie rufen, als sie Werke ausgewählter Autor*innen in die Flammen werfen. Die Sprüche formulieren ein weltanschauliches Minimalprogramm, das in den kommenden Jahren mit Berufsverboten, gleichgeschalteten Medien, pausenloser Propaganda, Pogromen, politischer Justiz und „Schutzhaft“ im Konzentrationslager gegen Menschen umgesetzt wird.

[11] Die Jagd auf die Bibliotheken. Rauben, Dokumentieren, Vernichten

Die Bestände von Bibliotheken und Buchhandlungen werden nach den reichsweiten Bücherverbrennungen systematisch dezimiert. Auf Verbotslisten stehen 5.000 Titel, die im Ausnahmefall mit Genehmigung in akademischen Kontexten einsehbar und zitierbar sind. Dadurch wird der Diskurs von offizieller Seite reguliert.
Zur Auflösung von Bibliotheken verbotener Organisationen oder von Exilierten erlässt das NS-Regime eigens Gesetze und setzt sie auch um. Während des Krieges richtet sich die Zerstörung auf ausländisches Kulturgut, allein Polen verliert 60 Prozent seiner staatlichen Bestände. Das Bewahren bedrohter Werke wird zum Widerstandsakt.

[12] Relegationen, Entlassungen, Widerstand. Der Weg zur »deutschen Hochschule«

Regime und Universitätsleitung erfüllen die Forderungen der vom Nazismus überzeugten Studentenschaft und verweisen ab 1933 mutmaßliche kommunistische, sozialdemokratische und „antinationale“ Student*innen, Lehrende und Mitarbeiter*innen von den Hochschulen. Verbleibende Jüd*innen erleben Diskriminierung durch Kommiliton*innen, Kolleg*innen, Behörden und Hochschule, 1938 wird ihnen das Betreten deutscher Hochschulen verboten. Gegen die nazistische Übernahme der Universitäten gibt es nur wenig Widerstand von Studierenden und Personal.

[13] Schriftsteller*innen im Räderwerk der Instanzen. Nischenexistenzen in der „Volksgemeinschaft“

Nach den Bücherverbrennungen bleibt vielen Schriftsteller*innen ein Handlungsspielraum zwischen Opportunismus, Rückzug, Widerstand und Exil. Oft entziehen sich Verhaltensweisen nachträglich eindeutiger Bewertung.
Im Oktober 1933 unterzeichnen 88 Mitglieder der Preußischen Akademie der Künste ein „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“, darunter vom Nationalsozialismus Überzeugte wie Hans Friedrich Blunck und Hanns Johst, aber auch Kritiker und Gegner wie Oskar Loerke und Otto Flake. Gottfried Benn, Nachfolger des exilierten Heinrich Mann als Leiter der Sektion Dichtkunst, ist einer der Initiatoren.
Trotz großem Konformitätsdruck ist niemand gezwungen, antisemitische Texte zu veröffentlichen oder sich an Hetze zu beteiligen. Mit Kriegsbeginn verschärft die Gestapo ihr Vorgehen gegen Regimekritik.

[14] Von der Bücherverbrennung zum Völkermord. Akademiker zwischen Propagandafront und Vernichtungskrieg

Für viele studentische Kader ist die Bücherverbrennung Ausgangspunkt ihrer Karrieren, etwa für NSDStB-Führer Fritz Hippler im Propagandaapparat oder für NSDStB-Mitglied und DSt-Führer Herbert Gutjahr an der Universität und im SD.
Mit Kriegsbeginn rekrutieren sich Mordkommandos von SD und SS auch aus früheren Vorkämpfern der Hörsäle wie Rudolf Oebsger-Röder, Gustav Adolf Scheel oder Helmut Knochen. Von ihnen wird keiner nach 1945 für seine Taten verurteilt.

[15] Zwischen Abkehr und Rückkehr. Exilant*innen zwischen Unbehagen an und Sehnsucht nach Deutschland

Alfred Döblin findet nach Kriegsende in Deutschland keine Heimat und wenig Anerkennung – und geht nach Frankreich. Thomas Mann, hoch angesehen in beiden deutschen Staaten, lebt hauptsächlich in der Schweiz. Der 1935 vertriebene Zivilrechtsprofessor Martin Wolff bleibt bis zu seinem Tod in London. Ernst Fraenkel lehrt in West-Berlin, aber sein Werk The Dual State über den NS-Staat findet lange kaum Beachtung. Die ehemals kommunistische Publizistin Babette Gross gründet die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit. Stefan Heym wird trotz kritischer Haltung und Zensur einer der wichtigsten Schriftsteller der DDR.

[16] Vertagt, vertröstet und auch vergessen. Widerwillige Restitution und späte Erinnerung

Bereits 1947 erinnert eine Veranstaltung an die Bücherverbrennung vor der Berliner Universität. Doch bald geraten viele der ehemals von den Nazis Verfolgten zwischen die Fronten. In der Bundesrepublik werden Exilierte wegen ihres Weggehens des „Landesverrats“ verdächtigt und das offizielle Gedenken orientiert sich später vor allem am bürgerlich-konservativen Widerstand um Stauffenberg und Goerdeler. In der DDR stehen Kommunist*innen im Zentrum.
Seit den 1970er Jahren publizieren Engagierte Werke der verbrannten Autor*innen neu.
Verfolgte Homosexuelle, Sinti*zze und Roma*nja, Zeug*innen Jehovas, Menschen mit Behinderung, sogenannte »Asoziale« und Deserteure bleiben lange aus der öffentlichen Erinnerung weitgehend ausgeschlossen.

Abkürzungen
NS – Nationalsozialismus, nationalsozialistisch
DSt – Deutsche Studentenschaft
NSDStB – Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund
SD – Sicherheitsdienst des Reichsführers SS
SS – Schutzstaffel
SA – Sturmabteilung
Gestapo – Geheime Staatspolizei
NSDAP – Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

Plakat zur Ausstellung 2013

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